Praxis des Soto Zen

Innerhalb des Buddhismus gibt es zahlreiche Strömungen und jede hat ihren eigenen Ansatz und Stil bezüglich der Meditationsübung. Soto ist eine Schule des Chan- und Zen-Buddhismus, sie ist die größte der drei japanischen Hauptrichtungen des Zen. Die Soto-Schule sieht ihre beiden Gründerväter in Dogen Kigen (1200–1253) und Keizan Jokin (1268–1325).
Manche Formen und Rituale des Soto Zen mögen uns anfangs ungewohnt, vielleicht auch befremdlich vorkommen, denn sie stammen aus Traditionen eines außereuropäischen Kulturkreises. Es gibt viele ernsthafte spirituelle Wege. Soto Zen ist einer davon. Das Wichtigste ist, sich irgendwann für eine Richtung zu entscheiden und: dabei zu bleiben.

Meditationsübung

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In der Tradition des Soto Zen nennen wir unsere Meditation "Zazen", was wörtlich "sitzendes Meditieren" bedeutet. Hierbei bringen wir Körper, Atem und unseren Geist in Einklang.
Die folgenden Anweisungen zur Meditation sind Hilfestellungen, nicht rigide Vorschriften. Bitte nehmt Euch Zeit, sie zu einzuüben und scheut nicht, ältere Praktizierende um Unterstützung zu fragen. Bitte vergesst nicht, dass es in dieser Praxis nicht um richtig oder falsch geht, sondern darum, dass wir lernen, was es bedeutet, ein Mensch zu sein.

Körper

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Zunächst versuchen wir, unseren Körper in eine möglichst stabile Position zu bringen, so dass der Atem frei fließen kann.
Die traditionelle Haltung des Meditierens ist durch das Sitzen im Schneidersitz gekennzeichnet. Wir können hierbei beide Füße auf dem Boden liegen lassen (burmesischer Sitz), einen Fuß auf den gegenüberliegenden Oberschenkel legen (halber Lotussitz) oder beide Füße auf der Innenseite unserer Oberschenkel ablegen (voller Lotussitz). Bei diesen Haltungen ist wichtig, dass die Knie den Boden berühren und wir unser Gesäß solide mit dem Untergrund verbunden fühlen. Diese Haltung ist zwar sehr stabil, aber für uns aus dem Westen oftmals auch schmerzhaft. Es kann dauern, bis unsere Bänder so weit gedehnt sind, dass die Knie den Boden berühren können. Hier können Hilfsmittel, z.B. Stützkissen zur Unterstützung der Knie, hilfreich sein.
Eine ebenso gute Haltung kann oftmals gerade am Anfang "Seiza" sein, der traditionelle Sitz für den Tee oder das Einzelgespräch. Hierbei zeigen beide Knie nach vorne, wir sitzen rittlings auf dem Kissen und die Unterschenkel kommen seitwärts des Kissens zum Liegen.
Für den Zen-Weg ist das Sitzen auf dem Boden keine Bedingung, wenngleich dieser Eindruck oftmals entsteht. Ein Bänkchen oder einen Stuhl zu verwenden, ist ebenso möglich. Gerade wenn wir uns anfänglich schwer tun oder körperlich nicht dazu in der Lage sind, auf dem Boden zu sitzen, sollten wir keineswegs diesen Umstand als Ausrede nehmen, um gar nicht zu sitzen! Die Qualität unseres Sitzens hängt nicht davon ab, ob wir auf dem Boden sitzen können oder nicht. Beim Sitzen auf einem Bänkchen oder auf einem Stuhl ist das Becken leicht nach vorne gekippt, so dass sich die untere Wirbelsäule aufrichten kann. Wenn wir einen Stuhl verwenden, sollten beide Füße entspannt auf dem Boden ruhen, die Knie sind in 90 Grad abgewinkelt.
Von Dogen Zenji stammt die Empfehlung, den Körper vor Beginn einer Meditationseinheit leicht hin und her zu schwingen, mit kleiner werdenden Bewegungen, um unsere Muskeln zu entspannen und ins Lot zu kommen.
Das Kinn ist leicht zurückgezogen, so dass sich die Halswirbelsäule aufrichtet. Die Mitte unseres Gesäßes und der Scheitelpunkt des Kopfes sollten eine Linie bilden. Weiterhin sollten die horizontalen Linien zwischen unseren Ohren und Schultern parallel verlaufen. Es ist wichtig, dass wir nicht nach einer Seite lehnen, weder nach vorne oder hinten, weder nach rechts oder links.
Es gibt eine Haltung, in der wir gerade sitzen und in der sich die Muskeln in einem gesunden Gleichgewicht von Spannkraft und Entspannung befinden. Je besser unsere Haltung ist, umso leichter wird unser Atem fließen können, und umso einfacher können wir unsere Gedanken ziehen lassen. Eine gute Körperhaltung bildet die Grundlage für jede Meditation. Daher ist es ratsam, auch während der Meditationseinheit unsere Haltung zu überprüfen und gegebenenfalls kleine Korrekturen zu vorzunehmen.
Die Hände halten wir im kosmischen Mudra. Hierbei kommt die Außenseite der linken Hand auf der Innenseite der rechten Hand zu liegen, wobei sich die Daumenspitzen leicht berühren und ein Oval formen. Die Außenseiten der kleinen Finger kommen einige Zentimeter unterhalb des Nabels zu liegen. Sie liegen fest, aber nicht verkrampft dem Unterbauch an. Diese Handhaltung sollte keine Schmerzen in den Schultern verursachen. Treten diese auf, so halten wir eventuell die Hände zu weit oben oder unten oder die Ellenbogen zu weit vom Körper abgespreizt.
Im Soto Zen sitzen wir zur Wand gerichtet und schließen unsere Augen nicht vollständig. Dabei entspannen wir die Oberlider und lassen sie soweit herunter, dass noch Licht ins Auge fällt. Wir halten den Blick nicht auf ein bestimmtes Objekt gerichtet.
Die Augen werden mit der Zeit eine halbgeöffnete, bzw. eine halbgeschlossene Position einnehmen. Wir möchten uns nicht von der Welt abwenden (die Augen schließen), diese aber auch nicht aktiv beobachten (die Augen ganz öffnen).

Atem

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Wir atmen durch die Nase, der Mund ist geschlossen, die Zunge liegt der Rückseite der Schneidezähne an. Wir atmen leise, so lautlos wie irgend möglich und in der uns eigenen Atemfrequenz. Ist unser Atem nicht leise, werden unsere Gedanken unruhig. Der Atem sollte vollkommen geräuschlos und natürlich fließen. Am Anfang wird unser Einatem länger sein als unser Ausatem. Mit der Zeit wird sich dieses Verhältnis ändern, eventuell auch umkehren: wir geben mehr und leichter ab, als wir behalten und aufnehmen.
Es kann hilfreich sein, zunächst vollkommen auszuatmen und dann leise den Atem durch die Nase wieder einströmen zu lassen. Der Schwerpunkt des Atems liegt die ganze Zeit im Unterbauch (Hara). Das mag gerade am Anfang ungewohnt erscheinen, denn wir sind es nicht gewohnt, "mit dem Bauch" zu atmen. Über die Jahre wird sich dieser langsam vom Kopf- oder Brustbereich in Richtung Unterbauch verlagern. Es ist nicht nötig, beim Atmen besondere Anstrengung aufzuwenden. Wir lassen einfach natürlich, sanft und liebevoll den Atem durch die Nase einströmen und genauso weich und liebevoll wieder lautlos durch die Nase ausstreichen.
Je natürlicher wir atmen, umso leichter fällt es, unseren Atem vergessen.

Geist

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Auch wenn wir ganz leise atmen, werden Dinge in unserem Kopf geschehen. Vielleicht sind wir erstaunt, wie viel darin passiert, vielleicht denken wir uns, das "gehört sich nicht" beim Meditieren und wir versuchen, es abzustellen. Dies führt meist zu noch größerer Unruhe.
Unser Kopf ist dazu da, um zu denken. Das ist seine Aufgabe.
Wir sitzen nicht, um unsere Gedanken abzuschneiden, zu verbessern oder um sie zu unterdrücken. Wir sitzen auch nicht, um ihnen eine besondere Bedeutung beizumessen - in dem wir sie weiterspinnen, zum Beispiel.
Wir sitzen ebensowenig, um Gedanken aktiv hervorzubringen, wie Phantasien oder Filme.
Wir sitzen einfach nur und beobachten, was geschieht.
Gedanken kommen. Gefühle, Erinnerungen, alle möglichen Arten von Sinnesempfindungen treten ans Licht. Nichts davon wird für immer bleiben, so unangenehm und schmerzhaft manches davon auch sein mag.
Wenn wir uns in die Position des Beobachters begeben, wenn wir selbst zu Aufmerksamkeit werden anstatt unsere Gedanken zu sein, können wir feststellen, dass alles kommen und gehen wird. Wir spüren, wie unsere See der Gedanken und Emotionen sich über die Jahre hinweg etwas beruhigt. Wir merken, wie es uns zunehmend besser gelingt, die Dinge, die sich an unserem Himmel bewegen, durch uns hindurch strömen zu lassen, ohne dass unsere Oberfläche wesentlich in Bewegung geraten würde.
Sobald wir feststellen, dass wir mit unseren Gedanken in Beziehung treten, sei es, indem wir uns von ihnen völlig hinwegtragen lassen oder durch leisere Ausschläge, kehren wir zum Atem zurück.
Diese Rückkehr, immer wieder, Millionen von Malen, dieses Loslassen, dieses Nichtstun, bildet den Kern unseres Zazen.
Wir kommen immer wieder zurück, hierher, zum gegenwärtigen Augenblick, zu dem, was jetzt gerade ist.
Hier und nirgendwo sonst findet unser Leben statt.
Unsere Praxis besteht darin, in allen möglichen Arten von Umständen und Bedingungen eine aufrechte Haltung einzunehmen, einen offenen Blick, für das, was gerade ist. Daher wird diese Übung auch "Shikantaza" genannt - "nur Sitzen".
Es ist eine einfache Praxis, die wir üben. Sie ist schmucklos und sie ist geradeheraus. Das bedeutet jedoch nicht, dass sie leicht wäre.
Indem wir loslassen, indem wir die Verbindung zwischen uns und unseren Gedanken lockern und lösen, werden wir frei - frei von unseren Wertvorstellungen, Vorlieben, Denkmustern, Gewohnheitsenergien.
Es ist eine sehr kreative Art der Freiheit, die uns langsam beherbergen wird.
Sie erlaubt uns, in unserem Alltag einen Handlungs- und Gefühlsspielraum, eine Ausgeglichenheit und Festigkeit zu schaffen, die unser Leben zu einem freudigen und angstfreien Abenteuer machen wird, Augenblick für Augenblick und noch weit darüber hinaus.
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