Bemühen

„Rechtes Bemühen“ gehört im Achtfachen Pfad in die Gruppe „Samadhi/Meditation“. Traditionell wurden damit unter anderem die „Vier Anstrengungen“ gemeint: Unheilsames vermeiden oder gar nicht erst hervorkommen lassen, Heilsames erwecken oder erhalten. Hierbei ist vor allem ein Kriterium entscheidend: ist dies der Befreiung förderlich oder nicht?
Daraus wird deutlich, dass rechtes Bemühen nicht notwendigerweise mit hartem Bemühen einhergehen muss. Der Buddha verwendete hierfür das Bild einer gespannten Saite, die, um einen guten Klang zu erzeugen, nicht zu stark, aber auch nicht zu schwach gespannt sein sollte.
 
Untrennbar verwoben ist dies mit „rechter Absicht“, denn „warum“ wir üben, kann nicht separiert werden von : „wie“ wir üben.
 
Wie können wir uns anstrengen, auf unserem Weg, in unserer Praxis, ohne dabei zu eng oder verkrampft zu werden?
Gerade das Zen mit seinen zahlreichen Formen, dem Edlen Schweigen und der visuellen Reduktion unseres Meditationsraumes, kann zu der Annahme verleiten, hier würde insbesondere auf Strenge und Disziplin wert gelegt. Verstärkt wird dies durch Zen-Geschichten, die von hohen körperlichen (und geistigen) Anstrengungen berichten, beginnend mit dem Buddha selbst.
Wie also kann es gelingen, dieses schier unmögliche Unterfangen, ein Buddha zu werden: den  Ziegel immerfort polieren, um einen Spiegel hervorzubringen?
 
Das Bemühen, um das es hier geht, erwartet vor allem die Bereitschaft, meinen geistigen Blick ein wenig lockern zu können:
Ich mag (oft vorab) diese Meinung haben, jenes Urteil fällen, diese bestimmten Bedürfnisse verspüren, diverse Ideen hegen – aber kann ich sie auch „lassen“ im Anblick der Wirklichkeit, die nicht selten so anders  an uns herantritt, als erwartet? Kann ich die Form, die ich mir bereits für sie zurechtgelegt habe, noch einen Spalt offen lassen und warten, ob sie sich dem Augenblick anpassen möchte – und nicht umgekehrt?
Möchte ich in meinem Sud dahinköcheln, das Leben als mal mehr, mal weniger störender Faktor daneben? Möchte ich meine ganze Kraft darauf verwenden, alles möglichst hübsch mundfein und „ruhig“ zu halten, under major control, auch wenn ich mir bewusst bin, dass es sich um eine narkotisierende Illusion auf Zeit handelt?
Oder kann ich mittendrin sein: „... kein Auge, Nase, Zunge, Körper, Geist, Farbe, Klang...“ und mich von meiner Wirklichkeit stets aufs Neue beunruhigen lassen?
 
Shunryu Suzuki, dieser sanfte Lehrer des letzten Jahrhunderts, beschrieb „rechtes Bemühen“ unter anderem als die Fähigkeit, keine Spur zu hinterlassen: nirvana.
Das ist ein radikales Bild: unsere gesamte Energie aufzuwenden, quasi sorglos sich vollkommen (meinem Leben und Sterben) überantworten.
 
... Keine Spur des Erwachens verbleibt, und dieses "Ohne-Spur" besteht für immer fort.
Dogen Zenji, Genjokoan

 
Um hierhin zu gelangen, oder mich aufrichtig darum zu bemühen, eine jeweils angemessene Antwort zu finden auf die Fragen, die mir mein Leben stellt, benötige ich vor allem Folgendes: eine gute Portion Hartnäckigkeit und ein aufmerksames Ohr ob meiner jeweiligen Balance.
Das ist der Mittlere Weg.
Auf ihm steht der Tür zu unserer Verbundenheit und Freiheit nicht mehr viel im Wege.
 
Gassho, Juen