Vom Glück im Auge des Betrachtenden

Im Rahmen unserer Beschäftigung mit den Grundsätzen für ein harmonisches Miteinander (Silas) haben wir versucht, in diesen einen gemeinsamen Nenner zu finden.
Dieser könnte so lauten: „Ich gelobe, nicht auf Kosten anderer zu leben, sondern mich liebevoll um das Leben zu kümmern.“

Das entspricht nicht der Blickrichtung, die wir im Alltag meistens einschlagen. Hier fragen wir eher von uns aus:
Was möchte ich?
Was bringt es mir?
Wie komme ich am schnellsten dahin?

In unserer Praxis lautet die Frage auch anders: was braucht das Leben, was braucht mein Leben gerade? Das ist nicht deckungsgleich mit dem, was „ich will und möchte“.
Gleichzeitig verneint es weder meine Bedürfnisse noch Wünsche.

Es bietet vielmehr eine weitere Aussicht an:
Was fragt das Leben jetzt von mir?
Was erzählen mir die „10.000 Dinge“?

Es ist zu erwarten (und eine Erfahrung des Zazen), dass die Antworten, die ich hier finde, sich von denen unterscheiden werden, wenn ich mich selbst als alleinigen Referenzpunkt betrachte.

Wenn die Fragen des Lebens und meine eigenen deckungsgleich werden, kann ich tanzen wie die Steinfrau, bin ich sorglos wie Ryōkan, kann ich vom Dunkeln in das Licht des Tages reisen, ohne auch nur einmal zu blinzeln.

Gassho, Juen

Es gibt einen leichten Weg, um ein Buddha zu werden:
Wenn Du nichts Böses begehst, nicht an Leben und Tod hängst und ein herzinniges Mitempfinden gegenüber allen Wesen verspürst, Dich den Älteren gegenüber respektvoll und den Jüngeren gegenüber freundlich verhältst, nichts außen vor lässt oder nach etwas strebst, im Herzen urteilsfrei und unbesorgt bleibst, dann wirst Du ein Buddha genannt werden. Suche nichts anderes.
Dogen Zenji, Shōbōgenzō Shōji

Übersetzung aus dem Originaltext: Kazuaki Tanahashi und Friederike Boissevain, © 2009


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