Reue

Vers der Reue
 
All mein verwobenes Karma,
Entstanden aus anfangsloser Gier, Hass und Verblendung,
Geboren aus Körper, Wort und Geist,
Bekenne ich nun ganz und gar.

L1001514
 

Im Rahmen unseres „Friedlichen Verweilens im Herbst“ hatten wir das Thema „Gelübde“ aufgegriffen, das wir noch ein bisschen über die Angozeit hinaus fortsetzen möchten.

Wir haben uns über die Bodhisattva-Gelübde unterhalten, jene zentrale Gelübde des Mahayana, die den Anspruch beinhalten, „alle“ Wesen zu retten.

Wörtlich genommen, ist das unmöglich. Es birgt vielmehr die (Zazen)-Erfahrung, dass wir uns auch als Einheit, als Dogens „Große Versammlung“ betrachten können. Und dass wir diese Perspektive nicht nur als gleichwertig zu der gut bekannten polaren Sicht der Dinge praktizieren, sondern sie vielleicht als genomische Basis, als den Dreh- und Angelpunkt unserer Welt betrachten lernen.

Dies wiederum hat zur Folge, dass wir aufgerufen sind, die Schwierigkeiten zu untersuchen, die uns oft den Blick auf diesen Einheitsweg versperren. Denn die Welt spricht ständig mit uns. Meistens möchte sie uns helfen: Bäume, Gräser, Wolken, Morgenlicht, Herbstblätter stehen bereit, uns zu zeigen, dass sie Form gewordene Vollendung sind - weder eins, noch zwei, sondern eine einzige, sich steig verändernde Abfolge von Werden und Entstehen.

Die Erkenntnis, und vielleicht ist diese ausnahmsweise sogar eine der etwas einfacheren Praxisbestandteile, dass wir dies weder individuell noch kollektiv nicht immer vermögen, die Einsicht in unsere Nicht-Vollkommenheit, der Blick auf unser Scheitern wird im in unserer Praxis „Reue“ genannt.

Sie hat nichts gemein mit unserer Neigung zur Selbstbeschuldigung oder wiederkehrender innerlicher Selbstbestrafung, die letztendlich auch eine Form der übrigens sehr hartnäckigen Bestätigung unserer Illusion einer festen Identität darstellen.

Sie ist vielmehr zu sehen als ein Erkennen unserer Unvollkommenheit und Grenzen – trotz bestem Bemühen. Hiermit helfen uns Gelübde und Reue als „Linie nach vorne und Linie zur Seite“, auf der Spur zu bleiben.

Die Übung des Zazen ist daher Intention, Gelübde, Anspruch und stetes Bemühen zugleich. Sie beinhaltet die Erkenntnis in das, was gerade ist genauso wie die Offenheit für eine Veränderung unserer Sicht- und Handlungsweise.

In diesem Sinne können wir in unserem Zazen die faszinierende Kommunion von Vergangenheit und Zukunft Atemzug für Atemzug in uns erfahren, die wir den gegenwärtigen Moment nennen.

Deswegen ist er so kurz, dass er immer schon beinahe verflogen scheint. Deswegen ist er unendlich, dass wir nie aufhören können und sollten, uns mit allem, was wir sind und vermögen, zu ihm zu gesellen.

Gassho, Juen

L1001511