Jahresabschluss in Musanji

Wir erfreuten uns eines sehr gut besuchten Sanghatages im Dezember und möchten uns bei allen herzlich bedanken, die teilweise weite Wege zu uns gefahren sind.
Im Rahmen des Vortrags haben wir unser Thema "Körper" nunmehr beendet.

Darüberhinaus zeigte dieser Tag einmal mehr, was Sangha ist: Zusammenhalt, Freude an der Gemeinschaft, Solidarität, Verbundenheit in unserer Praxis, wortlos und wortreich. Und tatenreich, wie man sieht...

Dankeschön und auf ein Wiedersehen in 2026!

8d911413-5add-4b73-ba35-ba7f57890976 (1)

358b9821-42f7-4e40-97d7-608272e7c923 (1)

Über eine Zenreise gen Süden

Unsere Winterreise führte uns erneut nach Zürich, die mit einem Treffen unter Dharmafreunden über den Dächern dieser schönen Stadt ihren Anfang nahm. Man sieht sich nicht oft und ist doch sofort zusammen: Dharmafreundschaften sind so wichtig wie Zazen.

Einer Einladung folgend, hielt Juen an der ETH Zürich eine Vorlesung an der Fakultät der Philosophie; das Semester beschäftigte sich thematisch mit Ethik am Lebensbeginn und -ende. Dann ging es weiter nach Sentiberg / Felsentor. Wir hatten im September über die entstehende Gemeinschaft etwas unterhalb des Felsentors berichtet. Erneut durften wir in dem schönen Zendo am Bächli, einer ehemaligen Käserei, zusammen sitzen. Als wir, erstmalig an diesem Ort, das HerzSutra anstimmten, wurde noch deutlicher, was eine gemeinsame Praxis auch beim Betreten von Neuland vermag: Möglichkeiten eröffnen, Zuversicht schaffen, Raum geben. Wiederum war der Ort geprägt durch eine beeindruckende Energie, die spürbar war für etwas, das noch nicht sichtbar ist.

Natürlich durfte ein Besuch des Felsentors nicht fehlen, das im winterlichen Licht über dem Seenebel schwebte: filigran, von Alters her, schier unbiegsam durch sein dem ersten Blick verstecktes Zendo im hinteren Garten.


IMG_4695_jpg 2

Wach in diesem Körper

Nun, Bodhisattvas aller Länder, was meint Ihr dazu?
Die vielbeschworene „Erleuchtung“, das „Große Tor“, durch das die tapferen Schülerinnen und Schüler des Zen bestrebt sind, hindurchgleiten, den feurigen Eisenball locker im Mund jonglierend – immer noch nicht genug?

Interessanterweise fällt es uns leichter, Erwachen zu denken als es zu verkörpern. Vielmehr: als uns seiner Verkörperung in unserer Form bewusst zu sein und sie zu leben.

Das ist erstaunlich, denn unser Körper befindet sich immer im gegenwärtigen Augenblick. Bei der Vorstellung vom vielbeschriebenen Erwachen denken wir meistens zuerst an unseren Kopf, an das erste Chakra, an das dritte Auge.
Unser Geist hat aber die liebenswerte Angewohnheit, ständig auf Wanderschaft zu gehen. Dennoch versuchen wir mit unerschütterlichem Vertrauen, uns denkend in den jeweiligen Moment zurückzubewegen, uns unser grandioses Erwachen für ein „Dereinst“ vorzustellen, es uns auszumalen, uns darüber in vielen Varianten zu belesen.

Wir sitzen in Zazen, wir sind ruhig und aufmerksam. Wir atmen, wir lassen atmen, wir lassen uns harmonisieren, da ist eine Weile Stille – bis sich etwas bewegt. Innerlich oder äußerlich. Wir werden abgelenkt, wir schweifen ab. Irgendwann bemerken wir dies.
Der erste Ort, zu dem wir dann reisen, ist unser Kopf. Wir denken: oh, zerstreut. Vielleicht seufzen wir ein wenig über uns.
Dann bringen wir uns denkend in die Gegenwart zurück. Das ist nicht falsch, aber es ist auch: ein beträchtlicher Umweg. Dieser birgt das Risiko, dass wir etwas verpassen, das von hohem spirituellen Wert ist: die Weisheit unseres Körpers. Sie ist immer schon da und sie steht uns lebenslang beständig zur Verfügung. Wir können ihr vertrauen und uns in sie zurückfallen lassen. Dann werden wir nicht nur etwas erfahren, das unsere Ahnen des Mahayana mit dem „Nirmanakaya“ bezeichneten (den Körper, wie wir ihn sehen), sondern uns auch dem „Sambogakaya“ nähern (dem Körper, wie wir ihn spüren). Was gleichbedeutend mit dem unmittelbaren Erleben unserer Wirklichkeit ist.

Die Zenpraxis ist ideal, um den Körper führen zu lassen. Erwachen findet mindestens genauso in und durch unseren Körper statt. Ein Zen-Mensch bewohnt seinen Körper bis in die letzte Ecke. Diese Präsenz hat heilsame Auswirkungen auf unsere Mitmenschen. Wir müssen dafür nichts „tun“. Diese, unsere Form, so jung oder alt, so hübsch oder weniger hübsch sie sich für uns anfühlen mag – ist einzigartig. Die Welt hat sie uns, die Welt hat sie sich, geschenkt. Je mehr wir über sie hinwegsehen, dissoziieren, sie leugnen, quälen oder beständig kritisieren, umso weiter entfernen wir uns von „Buddha“. Je mehr Tage innerer Bewohnbarkeit wir leben, umso mehr nähern wir uns unserem Zuhause, geistig und körperlich. Dafür müssen wir nicht denken, nicht wissen, nicht können. Nur spüren, nur sein.

Diesem Körper schrittweise immer mehr zu vertrauen, bedeutet, meiner Erfahrungswelt immer mehr zu vertrauen. Meiner Erfahrungswelt immer mehr zu vertrauen, bis hin zur zellulären Ebene, bedeutet, meinem Verbundensein immer mehr zu vertrauen. Eine andere Annäherung an diese urmenschliche Qualität und immerwährende Sehnsucht kann mit Erwachen, mit verkörpertem Erwachen, beschrieben werden.

Dieses eine, wilde, kostbare Leben. Was tust Du damit?
Mary Oliver

Gassho, Juen


SchoecP400616555-35-2


20 Jahre MBSR Verbandstätigkeit

Die Jubiläumskonferenz des deutschen MBSR-Verbandes fand am 3.und 4. Oktober in Berlin statt.
„Mindfulness Based Stress Reduction“ ist eine von Jon Kabat Zin Ende der 1970 er Jahre in den USA entwickelter Therapieansatz, welche Elemente aus der Zen- und Vipassana-Praxis miteinbezieht, darunter Zazen, Kinhin und die Betonung achtsamen Handelns im Alltag.
Aus MBSR und psychotherapeutischen Erkenntnissen wurde die MBCT (mindfulness based cognitive therapy), welche heute zur Depressionsvorbeugung Anwendung findet.
Der ausgebuchte Kongress beschäftigte sich in Vorträgen und Workshops mit der Frage der weiteren Integration dieser Praktiken in die vielfältigen therapeutischen Bereiche, in die sie bereits Einzug gehalten haben.
Es war wohltuend, zwei Tage mit so vielen Menschen unter einem Dach zu verbringen, die eine Achtsamkeitspraxis ihre Heimat nennen. Herzlichen Dank an das Organisationsteam!

Scan 04.10.2025, 16.57
Illustration: Verena Braun

Von A nach B

Von A nach B ist immer: von A nach A, B und AB.

Anfang des Monats haben Nanzan und ich einen Ort unterhalb der Stiftung Felsentor namens „Sentiberg“ besucht. Das ein paar Hektar große Gelände umfasst neben Bergwiesen und Scheunen auch einige Wohnhäuser. Während wir in den Jahren zuvor genau das gesehen haben und von den vagen Plänen einer Lebensgemeinschaft hörten, gibt es jetzt tägliches Zazen, eine zunehmende Anzahl an Menschen, die dort wohnen und arbeiten möchten, ein kleines Zendo und manchmal auch gemeinsame Mahlzeiten.

Zunächst waren es Wiesen, Mulden und Bäume.
Jetzt sind es Orte der geteilten Praxis, deren Aufbruchsstimmung beinahe ansteckend war.

Wir alle verfügen über das Potential, aus einer Teetasse eine Pagode werden zu lassen.
Täglich haben wir (hoffentlich!) viele neue Ideen.
Wie wird aus einer Vision meine gelebte Wirklichkeit?
Was hindert mich daran?

Zunächst schwebt die Phantasie im freien Raum. Kein Gedanke stört sie. Dann kommen Worte, die Argumente finden, warum etwas nicht klappen könnte.
Wir finden immer Gründe, uns zu begrenzen.

Natürlich gibt es Schwierigkeiten in unseren Leben, es gibt Tragisches, tief Schmerzhaftes, es gibt Situationen, die wir nicht mehr verändern können.
Wir leben zudem alltäglich in komplexen Banden aus beruflichen, familiären, finanziellen, gesundheitlichen und gesellschaftlichen Herausforderungen.
Aber auch in der schwierigsten Zeit gibt es: Lücken. Da ist ein wenig Raum zwischen den Begrenzungszäunen. Wir können sie spüren, diese Orte, in denen wir uns (dennoch) frei bewegen können.

An diesem Ort ist auch die Quelle unseres Bodhisattva-Gelübdes: unser Leiden und das aller anderer zu transformieren. Meine Tendenz, mich abzuwenden und aus der Gewohnheit heraus zu reagieren (Problem!) anzusehen.

Die endlosen Dharma-Tore zu durchschreiten. Weil ich noch hier bin. Weil meine Augen gerade und mein Nabel mittig ist. Weil das Vertrauen, welches mir auf dem Kissen jedes Mal geschenkt wird, aus meinem Fallen ein Fliegen machen kann – durch alle zu kleinen Tore hindurch.

Gassho, Juen

P1050969