June 2021

Vogelgezwitscher im Morgengrauen, taunasse Füße im Abendlicht

Meister Unmon sagte: Diese Welt ist unermesslich weit. Warum legst Du beim Erklingen der Glocke Deine Robe an? (wörtl.: Dein siebenstreifiges Gewand)
Mumonkan, Fall 16

Wie sieht sie aus, Deine Robe und warum legst Du sie an? Legst Du sie jeden Morgen an? Was ist anders, wenn Du sie vergisst? Warum? Freust Du Dich, sie anzulegen? Was ist anders, wenn Du Dich nicht darüber freust?
In Dogens Bodaisatta Shisho-Ho (Vier Weisen von Bodhisattvas, sich anderer anzunehmen) spricht er unter dem vierten Aspekt von „doji“ – was so viel bedeutet wie Gleichheit der Handlung, der Absicht, das gleiche Ziel verfolgen, oder, etwas poetischer: im selben Boot zu sitzen. „Doji“ bedeutet Nicht-Unterscheiden. Es ist ein Nicht-Unterscheiden von sich selbst, ein Nicht-Unterscheiden von anderen.
Wie kann ich das üben, ein Nicht-Unterscheiden von mir selbst?
Hierauf sind viele Antworten möglich. Eine der etwas radikaleren lautet: indem ich alles als außerhalb von mir selbst Wahrgenommenes als zu mir gehörig erachte, sozusagen subjektiviere.
Und alles, was sich so anfühlt, als wenn es gerade „nur um mich“ ginge, verobjektiviere, sozusagen meine Türen öffne und das „Draußen“ hineinlasse, es zu verallgemeinern suche.

Unser Goliath des eigenen Ichs kann alles in seinem eigenen Sinne wenden, selbst diese Übung. Wir können auch sie zur Festigung unserer vorgefertigten Ideen benützen, zur Selbst-Bestätigung. Ob und inwiefern wir dies tun, können wir nur selbst für uns beantworten. Auch hier liegen wir nicht immer richtig. In unseren Handlungen, in unseren Interaktionen jedoch, in den kleinen, scheinbar nebensächlichen alltäglichen Wanderungen durch die Berge und Täler eines jeden einzelnen Tages, da zeigt es sich. Können wir dies sehen, hören, schmecken?

Wer könnte davon schöner singen als unser verehrter Meister Ryokan:
"Zeitig an einem Morgen zieh ich aus zum Bettelgang in die Stadt. Silberne Wolken segeln mit mir, goldende Winde lassen meine Glöckchen klingeln. Frühmorgens öffnen sich tausend Tore und Türen. Mittags, am Ende der Stadt, erscheinen Bambus und Basho-Baum wie ein Bild. Ost der West - kein einziges Haus werde ich auslassen. Ob Sake-Laden oder Fischhändler, ich besuche sie alle.
... Der alte Mann Vimalakirti sagte dereinst: Gleich im Empfangen der Speise, gleich im Geben des Dharmas müssen wir sein. Dies nehme ich so, wie es ist. Übe fest wie ein Berg, immerfort, hör niemals auf!"
(aus Ryokans Lied, Takuhatsu)

Gassho, Juen

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